hoch und tief, grad und schief
Wettbewerb, Familienministerium, Mauerstr.27, Berlin 2019
“… weil die Menschen von Natur her nicht gleich sind und daher einer von Menschen errichteten Einrichtung bedürfen, der Polis um Kraft des Gesetzes einander ebenbürtig zu werden. Gleichheit existierte nur in diesem spezifisch politischen Bereich wo die Einwohner der Polis als Bürger und nicht als Privatpersonen zusammenkamen.“ (Hannah Arendt, Über die Revolution, München, Piper 1974 S. 36)
Wenn sich aber ein Gemeinwesen als grundsätzlich vorgegeben erfährt, verliert es seinen Charakter als politisch zu gestaltendes Projekt, seine utopischen Energien und Ressourcen scheinen erschöpft und der Erwartungshorizont schrumpft. Wie kann ich als Handelnde*r auf eine grundlegende Veränderung des Bestehenden hinwirken, wenn meine Imaginationskraft von den gesellschaftlichen Strukturen, die ich verändern will, hervorgebracht und mein Handeln durch diese Strukturen beschränkt wird?
Das Öffnen von Zwischenräumen, in denen die Widersprüchlichkeit zwischen Politik und Ökonomie, Vergangenheit und Gegenwart, Universellem und Partikularem, Gelingen und Scheitern, bilden ein aufgeladenes Spannungsfeld, in dem die Auseinandersetzungen zwischen Institutionen, Diskursen, sozialen und politischen Praktiken erst zueinander in Spannung gesetzt werden. Nur im Annehmen ihrer vielfältigen Polaritäten und Widersprüchlichkeiten, lassen sich ihre Potenziale vermitteln und die Spielräume zwischen ihnen erweitern.
Wir wollen einen Raum schaffen, in dem die Dynamiken von Ordnung und der formlosen Kraft der Veränderung gleichzeitig sichtbar und spürbar werden. Der weiße, geometrisch ausgeleuchtete und geordnete Raum wird gerade gebaut. Wir sehen unsere Aufgabe darin, durch diskontinuierliche Momente, die räumliche Ordnung in einen Spannungszustand zu versetzen. Den Ordnungs- und Vorstellungshorizont für die imaginäre Dimension unseres Wollens, Wünschens und Begehrens zu öffnen und nicht gleich wieder zu schließen. Mit unserer Arbeit, die aus Durchbrüchen zu geschichtlichen Ablagerungen und offenen räumlichen Strukturen besteht, räumen wir den verdrängten Schatten und formlosen Kräften, denen der direkte Weg in der statischen Ordnung versperrt ist, einen Platz ein. Damit wird die bisherige Ordnung nicht ersetzt, sondern umgestaltet, transformiert und zur Diskussion gestellt. Die von uns eingeführte Formensprache, macht Abweichungen, Umwege, Unregelmäßigkeiten, sowie den Zufall und das Scheitern als konstitutive Elemente unserer Geschichte und Realität sichtbar. Keine Ordnung ist statisch, sie ist darauf angewiesen auf ihre eigene Wiederholung und ihre Wiedereinsetzung hinzuwirken. Das öffnet wiederum ihre scheinbare geschlossene Struktur und bietet Ansatzpunkte für Transformation.
Entwurf und Unterstützung von studio c/o now